Resolution des marxistischen und antinationalen Flügels, 1999
Wenn es der Ablauf der Ereignisse nötig macht, bewährte Organisationsformen infragezustellen und andere Organisationsformen zu entwickeln, dann verlangt es nicht nur die Freundlichkeit, sondern die Ehrlichkeit gegenüber SympathisantInnen und BündnispartnerInnen, diesen Ablauf der Öffentlichkeit kundzutun. Wenn die bisher genutzten Organisationsformen zudem in Zukunft von Menschen genutzt werden, die unser Ziel einer Befreiten Gesellschaft nicht zu teilen scheinen oder zumindest verwechseln mit einer ideellen Gesamtbürgerinitiative, dann verlangt es darüber hinaus unser politisches Ziel selbst, das interessierte Publikum über die Veränderung aufzuklären. Aus diesem Grund, im Bewußtsein der Schwere unserer Verantwortung - und mit einiger Lust am Pathos- haben wir diese Resolution verfaßt.
Die Aufgabe einer marxistischen Organisation ist es, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein geknechtetes und unfreies Wesen ist. Um dies zu erreichen, müssen Menschen für das Ziel gewonnen werden, das kapitalistische System zu überwinden. Dem ist ihre Kenntnis der kapitalistischen Produktionsweise und des bürgerlichen Staates vorausgesetzt, denn diese Kenntnis erst ist Grund einer vernünftigen Kritik. An diesem Maßstab muß sich auch jede andere, unzureichende, falsche Kritik der Verhältnisse messen lassen. Der kumpelhafte Schulterschluß mit 'dem Volk' oder 'der Linken', das Beschränken auf scheinbar naheliegende Teilforderungen unter Verschweigen der eigentlichen Ziele mögen die Akzeptanz einer Organisation in der Öffentlichkeit erhöhen, stehen aber unserem politischen Ziel entgegen.
Dies aber ist nicht die Überzeugung unserer innerverbandlichen Gegner. Der jahrelang schwelende Streit geht anderslautenden Gerüchten entgegen nicht darum, ob man außer der Aufforderung zur Revolution überhaupt nichts äußern dürfe. Das behauptet niemand. Auch finden sich in der Verbandslinken keine Verelendungsapologeten, die jede aktuelle Erleichterung der Misere als Abkehr vom hehren Ziel geißelten. In ihr haben sich die zusammengefunden, die innerhalb des Bundesverbandes an bestimmten Erkenntnissen festhalten. Derjenige, der noch so menschenfreundliche und die bürgerlichen Verhältnisse transzendierende Forderungen formuliert, aber wider besseres Wissen ihren die bestehenden Verhältnisse sprengenden Charakter verschweigt, lügt. Wer behauptet, der Weg in die Befreiung sei ein Kontinuum von kleinen Reformen und jede halbwegs erfolgreiche Abwehr gegenüber der Macht der Verhältnisse sei ein erster Schritt auf diesem Weg, sagt die Unwahrheit. Wer in herrschende 'Diskurse' eingreifen will, ohne zugleich das Moment der Herrschaft in ihnen zu entlarven, affirmiert diese Herrschaft. Diejenigen, die seit Jahren ihre ergebnislosen Forderungen mit miserablen, widersprüchlichen, falschen, oberflächlichen 'theoretischen Einleitungen' und 'Begründungen' versehen und zugleich behaupten, über die alten Hüte wissenschaftlicher Gesellschaftskritik längst hinausgegangen zu sein, schaden unserem Bemühen, die Verhältnisse umzustürzen. Dies alles aber unternimmt der rechte Flügel des Bundesverbandes.
Um das mühsame Werk der Verbreitung radikaler Kritik zu befördern, müssen Organisationen gebildet werden, die die theoretischen wie praktischen Anstrengungen der Einzelnen auf sinnvolle Weise vereinigen. Das, was wir heute wissen und vertreten, haben wir uns zu einem großen Teil in Strukturen von JungdemokratInnen/Junge Linke erarbeitet. Wir haben kein leichtfertiges Interesse an einem Wechsel der Organisationsform ohne tieferen Grund, zumal jede politische Zusammenarbeit bürgerlicher Subjekte Übel hervorbringt, die sich durch ein Wechseln des Organisationsmodells nicht beheben lassen. Der Sieg einer fehlerhaften Meinung im pluralistischen Wettstreit innerhalb des Verbandes reichte wohl hin, uns in unserer Ablehnung des Pluralismus zu bestärken, nicht aber dazu, uns an der Zukunft unserer bisherigen Arbeitsformen zweifeln zu lassen. Trotz der seit Jahren bekundeten Weigerung der jetzigen Verbandsmehrheit, die Diskussion unseres Dissenses zuzulassen, würden wir nicht müde werden, für die Wahrheit zu werben.
Was uns nun zu dieser Resolution veranlaßt hat, ist ein Niveau der Feindseligkeit, das unsere Fähigkeiten übersteigt, und dem wir deshalb unterliegen müssen. Die Geschichte der neuen Mehrheit im Bundesverband ist eine Geschichte der Verleumdung, der Veruntreuung, der Obstruktion, des Diebstahls und der Rechtsbeugung, zielend auf die völlige Ausschaltung des linken Verbandsflügels. Zum Beleg sei an einige Ereignisse des letzten Jahres erinnert.
Unsere Gegner haben den bislang amtierenden Bundesvorstand, der ordnungsgemäß von der BDK gewählt wurde, an seiner Arbeit gehindert, wo ihnen dies möglich war, bis hin zu ihrem Erfolg, ihm jegliche Verfügung über die Ausgaben und Einnahmen des Bundesverbandes genommen zu haben - im Namen radikaler Demokratie. Sie haben entgegen gültigen Beschlüssen Zeitungen in Druck gegeben, deren Inhalt der damaligen Mehrheitsposition widersprach und den Verband damit weiter verschuldet, haben umgekehrt die Herausgabe der Bundesverbandszeitung TENDENZ zu verhindern versucht, indem sie erst die Redaktion versuchten zu übernehmen, dann die Druckerei belogen und die Druckplatten zu stehlen versuchten - im Namen radikaler Demokratie. Sie haben allein aus Angst, in der Minderheit zu sein, die Bundesdelegiertenkonferenz 1998 durch Auszug beschlußunfähig gemacht und dem Bundesverband mit der außerordentlichen Konferenz weitere finanzielle und organisatorische Lasten aufgebürdet - im Namen radikaler Demokratie. Sie haben versucht, GenossInnen die Teilnahme an Landesversammlungen zu erschweren, ordentlich gewählten Delegierten die Wahrnehmung ihres Mandats bestritten und in Hessen sogar Menschen, die uns nahestehen, die Mitgliedschaft verweigert aus Angst, es könnte sich eine innerverbandliche Opposition konstituieren - selbstverständlich im Namen radikaler Demokratie. Sie haben in ihrer Praxis ihre Prinzipien ad absurdum geführt. Wir, die wir hiesigen 'demokratischen Spielregeln' für Ordnungsprinzipien der Herrschaft halten, haben uns demgegenüber bemüht, die Satzung einzuhalten und das Argument bestimmend für die Auseinandersetzung sein zu lassen.
Eine Gruppe, die auf eine Weise Politik treibt, wie unsere Gegner es tun, ist nicht willens, Kooperations- Bündnis- oder auch nur Gesprächspartner zu sein. Es besteht die Gefahr, daß ihre Aktionen den Verband zerstören - ungeachtet ihrer verbandsfetischistischen Feier der Jungdemokraten-Tradition. Sie scheinen lieber keinen Verband zu wollen als einen Verband mit uns. Es steht nicht in unserer Macht, sie an ihren Vorhaben zu hindern.
Wir, die VertreterInnen des antinationalen und marxistischen Flügels der JD/JL erklären daher, daß wir die Mitarbeit in diesem Bundesverband bis zur nächsten ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz 2000 einstellen. Daß wir die Beschlüsse dieses Bundesverbandes als für uns nicht gültig betrachten und jede Verantwortung für seine Unternehmungen ablehnen. Daß wir die exponierten Vertreter der derzeitigen Mehrheitsfraktion ebenso als politische Gegner ansehen wie die SPD oder Bündnis 90/ Die Grünen. Daß unter der Bundesverbandsadresse in Berlin in Zukunft keine Linksradikalen mehr erreichbar und keine klugen Aufklärungsmaterialien mehr zu bekommen sein werden.
Und daß bis auf weiteres unsere Adresse lautet:
Junge Linke, Postfach 91 04 29, 30424 Hannover
01.04.1999
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