Nein, die AfD wird nicht aus Protest gewählt, sondern aus einer politischen Überzeugung.
Niemand ist in der bürgerlichen Gesellschaft einfach zufrieden mit dem, wie es ist. Jede, die zur Wahl geht, verspricht sich vom Wahlkreuz irgendeinen Einfluss auf die Politik, die dann sogenannte Missstände beenden solle. Und keine Wählerschaft einer Partei ist einfach nur eine homogene Masse, die sich genau an denselben einzelnen Sachen stört. Umgekehrt stimmt es ja meist eher: Menschen, die sich vor allem um die Arbeitslosigkeit oder um die horrend steigenden Mietpreise oder islamistisch motivierte Anschläge Sorgen machen, finden sich in der Wählerschaft aller Parteien. Parteien nehmen auf diese Sorgen Bezug, verfassen politische Programme und gehen mit ihren politischen Diagnosen und Lösungswegen bei den Menschen auf Werbetour.
Die AfD agitiert dafür, sich alle möglichen politischen Fragen mit der Diagnose vorzulegen, dass die politische Elite und die Bevölkerung sich zu wenig um Deutschland kümmern würden. Flüchtlinge, Menschen mit sogenannten migrantischen Wurzeln und das Ausland in Form der EU seien die Störgrößen in der Nation und dafür verantwortlich, dass „so vieles schief läuft“. Wer sein Kreuz bei der AfD macht, der muss diese Übersetzungsleistung von seinen individuellen Problemen hin zu dieser furchtbaren Abstraktion, dass das „Fremde“ die Wurzel des Übels sei, hinbekommen.
Die „Protestwähler*in“ ist eine Erfindung jener etablierten politischen Akteure die wollen, dass sich die Wähler*innen wieder hinter den Volksparteien versammeln mögen. Eigentlich wähle die Protestwähler*in die AfD nur als eine Art Demonstration der Unzufriedenheit. Das Wahlkreuz bei der AfD sei also nicht als Zustimmung der rechten Partei, sondern allein als Signal an die Volksparteien zu verstehen. Der Auseinandersetzung mit dem Rechtsruck in der Gesellschaft ist so folgender Weg gewiesen:
Die AfD wird dafür kritisiert, dass sie zu „einfache Lösungen“ präsentiere, die aber realitätsfremd seien. Damit würde sie die – an sich durchaus verständliche – Unzufriedenheit der Menschen bloß für ihren Wahlerfolg instrumentalisieren. Damit scheide sie als ernsthafte Regierungspartei aus. Und die AfD-Wähler*in wird mit einem eigentümlichen Lob umgarnt: „Du machst dir schon die richtigen Sorgen, aber du willst doch Profis in der Führung und keine Stümper, oder?“
Die Regierungsparteien geben selbstkritisch zu, dass sie nicht gut kommuniziert haben, wie ihr hochprofessionelles Programm genau die nationalistischen Sorgen, die die AfD bedient, viel besser berücksichtigt. Der Agitation der AfD für mehr selbstbewussten Nationalismus, die bei einem guten Teil der Wähler*innen sehr gut ankommt, stellen die Volksparteien deswegen jetzt die ‚verbesserteʻ Präsentation der bisherigen Politik als selbstbewussten Nationalismus entgegen.
Die Selbstkritik geht dann weiter mit den Schritten „Wir haben den Menschen zu wenig zugehört“ und letztlich mit dem Urteil „Wir haben verstanden!“. An den eigenen politischen Programmpunkten wird dann hervorgehoben, was als Antwort auf die rechten „Bauchschmerzen“ passen könnte.
Kurzum zeigt das Urteil, die Leute würden die AfD nur aus Protest wählen, ein Doppeltes: Erstens steckt darin die Verweigerungshaltung sich mit der politischen Überzeugung der AfD-Basis inhaltlich auseinanderzusetzen. Zweitens zeigt die Popularität dieses Urteils in der demokratischen Öffentlichkeit , wie schmal der Grad zwischen den etablierten demokratischen Parteien und den „neuen“ rechten Standpunkten ist.
Dieser Text ist der zweite in der Reihe 50 Fragen 50 Antworten - Über den Rechtsruck – und wie man ihn besser nicht kritisiert.
Wöchentlich veröffentlichen wir eine weitere Kurzanalyse über rechtsradikale Standpunkte, schlecht gemachter Kritiken an der AfD und Stichwörtern in der Debatte über den Rechtsruck.