31.12.1997 PDF

Stoffkundebroschüre - A: Drogen und Führerschein

Achtung: Dieses Kapitel harrt einer Überarbeitung, da insbesondere die Nachweisgrenzen nicht mehr aktuell sind!

Zu den weniger beachteten Nadelstichen, die das Prohibitionsregime gegen KonsumentInnen illegalisierter Drogen bereit hält, gehören nicht strafrechtliche Repressalien wie Psychiatrisierung, Ausweisung für AusländerInnen, Sorgerechtsentzüge - und eben Entzug der Fahrerlaubnis.
Dabei muss keinesfalls drogenberauscht Auto gefahren worden sein, um beim Straßenverkehrsamt "Zweifel an der Fahrtüchtigkeit" aufkommen zu lassen. Es genügt, mit Drogen erwischt worden zu sein und das Pech gehabt zu haben, dass die Polizei dies weitergegeben hat - was naturgemäß dann am häufigsten geschieht, wenn ein Fahrzeug mit im Spiel ist, d.h. man beim Schmuggeln oder Einkauf mit dem Auto geschnappt wird. Da die zuständige Verwaltungsbehörde nicht wie im Strafrecht die konkrete Schuld nachweisen muss, sondern präventiv, d.h. vorbeugend, agieren darf; kann sie - im Zweifel gegen den Angeklagten - pauschal die mangelnde Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs unterstellen - und bis vor einigen Jahren geschah dies sogar beim einmaligen Konsum von Cannabis. Behauptet wird dann das mögliche Eintreten eines Flashbacks (vergl. dazu den Text zu Cannabis in dieser Broschüre); im Falle häufigeren Konsums wird regelmäßig von einer Abhängigkeit ausgegangen, bei der sowieso nicht mehr nüchtern gefahren werden könne.
Inzwischen gibt es einige Gerichtsurteile - aus Hamburg und aus Bayern (!) sowie (in genau jenem Falle eines einmaligen Haschischkonsums) auch vom Bundesverfassungsgericht - die die Auffassung teilen, dass, oh Wunder, auch Leute, die hin und wieder Drogen gebrauchen, nicht notwendig breit am Straßenverkehr teilnehmen und der Entzug der Fahrerlaubnis daher ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte sei. Dies hindert die Behörden jedoch nicht daran, ihre extrem repressive Praxis, auf deren schreiende Ungerechtigkeit im Vergleich zum Alkohol hinzuweisen sich fast schon erübrigt, weiterhin durchzusetzen zu versuchen. Betroffene müssen beim Amtsarzt ihre Tauglichkeit nachweisen, was umso schwieriger wird, je "härter" die in Frage stehende Droge klassifiziert wird. Bleiben "Zweifel", wird der Führerschein entzogen und die Drogenabstinenz muss, um ihn wiederzuerlangen, über ein Jahr lang nachgewiesen werden.
Gerät man in eine solche Situation, empfiehlt sich auf jeden Fall ein Anwalt (Adressen bei akzeptierenden Drogenberatungsstellen, über akzept e. V: -Adr. s.o.-, etc.). Nie Aussagen bei der Polizei machen, ohne sich vorher beraten zu lassen - ein treuherziges "zum Eigenkonsum" direkt bei der Verhaftung kann sich gerade in puncto Führerschein rächen, auch wenn es strafrechtlichen Stress erspart! Ebenso sollte nie ohne vorherige Beratung einer amtsärztlichen Untersuchung, einem "Idiotentest" etc. zugestimmt werden - ein Anwalt kann versuchen, ein Gutachten eines weniger feindlich gesonnenen Arztes denn eines Amtsarztes als hinreichend durchzusetzen.
Gibt es keine andere Möglichkeit als den Amtsarzt oder soll zunächst Aufsehen vermieden werden, gilt: den Amtsarzt nicht von seiner Schweigepflicht entbinden. Dann nämlich geht das Gutachten zunächst nur an den Betroffenen und nicht direkt an die Behörde, und je nach Ausfall können die nächsten Schritte beraten werden. Beim Besuch selbst sollte man sich, analog zu einem Bewerbungsgespräch, verhalten, wie man sich Autoritäten in dieser Gesellschaft gegenüber halt verhält: guten Eindruck machen, den Termin, wenn er verschoben werden muss, mit guten Gründen verschieben (der Anwalt wird die entsprechenden kennen), selbstsicher auftreten, nicht den Eindruck einer "labilen Persönlichkeit" machen und ähnlicher Scheiß. Vom Autofahren unter Drogen sollte sich bei guter Gelegenheit nachdrücklich auch für die Vergangenheit distanziert werden, wie überhaupt die Verirrung des Rauschgiftmissbrauchs glaubwürdig, d.h. nicht zu dick bereut werden sollte. Als Konsummotivation macht Stress, Unglück etc. einen schlechten, Neugier noch wohl den besten Eindruck, und ein ansonsten ruhiger, normaler Lebenswandel mit Schule, Ausbildung, Beruf und Familie wirkt Wunder. Gut ist es auch, wenn man aufs Auto angewiesen ist: dann würde ein Führerscheinentzug unverhältnismäßiger. Trotzdem besser nicht drohen ("Wenn ich meinen Job verliere, stürze ich total ab"). Zugegeben werden sollte bei direkter Befragung nur, was nachweisbar ist (der Amtsarzt darf nicht nur selbst untersuchen, sondern auch Unterlagen des Hausarztes anfordern, was allerdings selten geschieht - interessant bei drogenbedingten Krankenhausaufenthalten, Therapien etc.). Besonders bei Heroin und Kokain erfordert der Nachweis, nicht abhängig zu sein, erhöhten Nachdruck
Für alle Untersuchungen gilt: sie sind formal freiwillig, d.h. ohne Einverständnis des Betroffenen illegal. Im Zweifelsfall ist eine Verweigerung verdächtig, aber immer noch besser als ein Nachweis. Dies gilt insbesondere bei Haarproben, in denen Drogen, v.a. Cannabis fast ewig nachweisbar sind. Wer ganz sicher gehen will, sollte sich alle Haare (nicht nur auf dem Kopf) abrasieren und dann clean bleiben bis zur Untersuchung; über Wasserstoffperoxid und dessen Auswirkung auf die Haarstruktur, in der Drogenreste absorbiert werden, gibt es wenig Erkenntnisse, wiewohl in den einschlägigen Magazinen Präparate beworben werden, die "Schmutzhaare" zuverlässig reinigen sollen. Hier besser kein Risiko eingehen. Um eine Urinuntersuchung wird man hingegen kaum herumkommen können, ohne den Lappen zu verlieren. Daher: möglichst lange, mindestens aber (je nach Konsumintensität) eine Woche, bei Hanf - dem am längsten nachweisbaren Stoff - auch drei Wochen vor der Untersuchung clean bleiben und viel Tee trinken. Nur bei LSD verzweifeln die Tester.
Alle diese Angaben und Vorkehrungen bieten jedoch keine Gewähr. Sollte der Führerschein entzogen werden, wäre es, wenn man's sich leisten kann, ratsam zu klagen. Selbst wenn man nicht an ein progressives Gericht kommt, erhöht sich der politische Druck sukzessive auf die Verantwortlichen dieser Willkürmaßnahmen.


DRUGSCREENING
Was in den USA schon seit längerem gang und gäbe ist, versucht man derzeit auch in der BRD zu etablieren: Drogentests bei MitarbeiterInnen oder BewerberInnen. Insbesondere Auszubildende als Mitglieder der Risikogruppe "Jugend" geraten verschärft ins Visier. In einigen Betrieben gehören Standard-Drogentests mit Hilfe von Urinteststreifen zur Einstellungsuntersuchung. Geprüft wird nicht nur auf illegale Rauschmittel, sondern auch auf Benzodiazepine und Barbiturate. Fällt der Test positiv aus, gibt es intensivere Untersuchungen bzw. Gespräche, die meist mit Kündigung bzw. Nichteinstellung enden.
Da diese Untersuchungen in der Regel nicht extra im Labor durchgeführt werden können, lässt sich recht genau angeben, wie lange welche Drogen für die auf dem Markt befindlichen Testgeräte nachweisbar sind.
Es gilt:

Cannabis: 5- 10 Tage
(bei regelmäßigem Konsum auch bis zu 20 Tage)

Kokain: 2- 4 Tage

Morphine: 1 -2 Tage

Methadon: 1 -2 Tage

Benzodiazepine: 6 -90 Stunden

Barbiturate: 1- 21 Stunden

Amphetamine & Verwandte: 1 -3 Tage


Insbesondere die Jugendvertretungen, aber auch viele Betriebsräte verwehren sich glücklicherweise dieser Durchleuchtungspraxis, die sich nur zu gut in den zivilgesellschaftlichen Gesundheitsterror einfügt. Wer sich also vorher erkundigen will, ob ihm oder ihr bei der Bewerbung Drugscreening droht, ist dort oder bei der IG Metall-Jugend meist gut beraten.