Im Mai 2007 erreichte uns folgender Leserbrief in Reaktion auf das Referat zur Kritik des Bedingungslosen Grundeinkommen. Unsere Antwort folgt darunter.
M. der Gruppe S. aus D. schreibt:
M. der Gruppe S. aus D. schreibt:
aber irgendwie seid ihr doch dann doch wieder dafür - die Bedingungen die ihr an ein bge stellt sind in der BGE-Bewegung Konsens. Also lasst uns doch lieber gemeinsam dafür streiten, statt im eigenen Lager zu zanken.
zur Höhe: Je höher, desto besser - einstieg mit 850€ wär ok, dann können Erhöhungen erkämpft werden. Wenn die Arbeiterklasse endlich begreift, dass es ihre Aufgabe ist gegen nicht für die Lohnarbeit zu kämpfen.
Hallo M.
die Argumente, die wir in unserem Text gebracht haben, sind keineswegs Konsens in der BGE-Bewegung. Und auch die Bedingung, die wir an Forderungen knüpfen, nämlich „Armut abschaffen“, ist in der BGE-Bewegung nicht Konsens. Dazu haben wir in dem Text immerhin sehr differenziert auf die verschiedenen politischen Lager aufmerksam gemacht, die sich unter dem BGE versammeln. Von Solid haben wir auf die schnelle keine ausführliche eigene Position im Netz zu dem Thema finden können, vielleicht wird die Differenz aber noch einmal deutlicher, wenn wir im Besonderen auf die „Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen – die Linke“ (BAG) eingehen. Wir wollen uns im Folgenden also doch mit Dir streiten und zanken. Nicht aber, weil wir Uneinigkeit so schlimm finden, ein besonders kleiner Zirkel sein oder partout nichts bewirken wollen, sondern weil wir meinen, dass erst die Einigkeit in der Kritik und den daraus folgenden Forderungen aus einer Menge Leute eine wirksame Kraft macht, die was vernünftiges erreicht.
Im Folgenden beziehen wir einige Gedanken des BAG-Grundeinkommen auf unser Flugblatt. Wir wollen das Flugblatt aber nicht noch mal neu schreiben, daher bitten wir Dich, ggf. die entsprechenden Stellen aus unserem Text noch mal nachzulesen.
1) Wir haben in dem Text darauf aufmerksam gemacht, dass z.B. das Konzept von Götz Werner ein Lohn- und Sozialstaatssenkungsprogramm ist. Wir haben weiter viele linke Vertreter des BGE dafür kritisiert, dass sie sich immer zu auf die weit verbreitete gesellschaftliche Anerkennung ihres Konzeptes berufen und damit die unterschiedlichen Zwecke zuschütten, die verschiedene Vertreter erreichen wollen. Mit dem Argument, es ist doch realistisch, weil selbst Götz Werner das Konzept vertritt, schütten sie ihr linkes Anliegen zu.
Auf der Frontseite der homepage der BAG-Grundeinkommen-die Linke findet sich jetzt widersprüchliches: Einerseits verweist der SprecherInnenrat darauf, dass das Götz-Werner-Modell weniger bringt als die heutige Sozialhilfe und wollen sich davon abgrenzen. Andererseits bezeichnet Ostertag, der Bundeskoordinator BAG Grundeinkommen in einem weiteren Artikel Götz Werner als einen „bedächtigen und wohlüberlegten Gesellschaftsreformer“. (siehe Leserbrief zum SPIEGEL-Gespräch mit Götz Werner).
Der BAG sollte sich mal entscheiden: Ist Götz Werner ein politischer Gegner oder ein interessanter Reformer? Zitate: http://www.die-linke-bag-grundeinkommen.de/
2) In einem offenen Brief des BAG an die Programmgruppe von Linkspartei.PDS und WASG, bringen die Schreiber ein gutes Argument:
„An dieser Stelle möchten wir, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, auf einen logischen Bruch in den "Eckpunkten" aufmerksam machen. In dem eingangs erwähnten Einschub steht weiter: ‚Da wir Zwang zur Arbeit ablehnen, stellt sich das Problem: Wie können zumutbare Arbeit und Bedürftigkeit bestimmt werden?’ Das verstehen wir nicht. Wer es ablehnt, Menschen zur Arbeit zu zwingen, dem stellt sich das Problem, "zumutbare" Arbeit definieren zu müssen, doch gerade nicht. Denn wäre ihm diese Definition erst einmal geglückt, dann hätte das ja wohl zur Folge, dass ein/e Leistungsbezieher/in, die/der "zumutbare" Arbeit verweigert, mit Sanktionen, sprich: Zwangsmitteln, rechnen müsste. Da man aber Zwang zur Arbeit ablehnt...“
Für sich finden wir den Hinweis auf den Widerspruch richtig. Leider verstehen aber die Schreiber unter „Zwang zur Arbeit“ nur die Bedingung, die der Staat an die Beziehung von Arbeitslosengeld stellt: Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme. Dass das Lohnverhältnis überhaupt genauso funktioniert schreiben sie nicht. Der Staat schafft doch den Zwang zum Arbeiten nicht erst, wenn er Hartz IV an den Nachweis der Arbeitswilligkeit knüpft. Er zwingt niemanden direkt Hartz IV zu beantragen und er zwingt auch niemanden direkt eine bestimmte Arbeit aufzunehmen. Der Zwang ist schon längst vorher eingerichtet, über einen indirekten Weg: Indem der Staat mit der Eigentumsordnung die Masse an Leuten von den Sachen trennt, mit denen sie ihre Lebensgrundlagen selbstständig herstellen könnten. Damit schafft der Staat den „Sachzwang“, dass viele Leute aus eigener Entscheidung heraus sich für Lohnarbeiten gehen entscheiden müssen. Denn auch die Unternehmen verhalten sich doch gar nicht anders als der Staat: Wenn du nicht arbeiten willst, gibt es kein Geld. (Der Unterschied besteht nur darin, dass man sich bei den Unternehmen noch so arbeitswillig zeigen kann. Wenn sie keinen Bedarf haben, gibs keine Arbeitsstelle und auch kein Geld).
Die Unfähigkeit der Lohnarbeiter, ihre Lebensgrundlage selbstständig herzustellen ist doch der prinzipielle Grund, warum sie zur Arbeit gezwungen sind. So funktioniert der Laden hier überhaupt. Darauf haben wir insistiert, wenn wir gesagt haben, es gibt eine absolute Scheidelinie: Entweder das Geld reicht zum sicheren Leben inklusive aller Absicherung für die Wechselfälle des Lebens – und mit Leben ist nicht nur Überleben gemeint, sondern eben die Bedürfnisse angesprochen, die ein Mensch hat und befriedigt wissen will. Oder dies ist nicht der Fall und dann ist sofort der Zwang zum Arbeiten da. Brauch ich monatlich nur 100 Euro mehr, ist über kurz oder lang der Zwang zum arbeiten da. Dann tummeln sich aber weiterhin alle auf dem Arbeitsmarkt herum und sorgen für die bodenlose Konkurrenz unter den Arbeitern, die die Löhne purzeln lassen.
Wir haben deshalb gesagt: Wenn das BGE unterhalb dieser Scheidelinie liegt, dann ist das ganze Projekt nicht mehr als ein nettes „drangsaliert die armen arbeitslosen Schweine nicht so sehr“. Mindestlöhne, gute Krankenversicherung, die den Lohn in Form der Beiträge nicht gleich wieder auffrisst usw. wären aber die objektive wirksamen Formen, Armut zu lindern (abschaffen tut auch ein Mindestlohn die Sache nicht, dafür steht ja das „mindest“).
Der BAG sieht das genau umgekehrt: „Und eine Rückenstärkung für die arbeitende Bevölkerung wäre ein Grundeinkommen, wie wir es uns vorstellen, allemal. Es könnte nämlich noch wirkungsvoller als ein die Existenz sichernder gesetzlicher Mindestlohn - der trotzdem nicht überflüssig wird - dafür sorgen, dass auch vermögenslose Menschen nicht gezwungen sind, ihre Arbeitskraft für vier Euro die Stunde zu verkaufen.“
Hier ist der BAG mal auf einen Widerspruch hinzuweisen: Warum braucht es überhaupt noch einen Mindestlohn, wenn die Grundsicherung die Leute versorgen würde? Zitate: http://www.pds-hessen.de/parteineubildung/02c51f980f0c99e0a.php
3) Deshalb schließen wir uns auch deinem Vorschlag nicht an:
„Je höher, desto besser - einstieg mit 850€ wär ok, dann können erhöhungen erkämpft werden. Wenn die ARbeiterklasse endlich begreift,
dass es ihre aufgabe ist gegen, nicht für die lohnarbeit zu kämpfen.“
Du sagst, 850 Euro als Einstieg. Davon kann man nicht vernünftig leben. Das ist kaum mehr als heutiges Hartz IV (345 Euro + ca. 130 Euro Krankenkasse + ca. 300 Euro Wohnung = 775 Euro). Über kurz oder lang wird jeder, der davon leben muss, soweit er noch kann, versuchen einen Job zu bekommen. Und warum soll man Erhöhungen dann erkämpfen? Warum forderst du nicht wenigstens gleich eine vernünftige Höhe und suchst dir Partner mit denen du das durchsetzen kannst? Und auch das haben wir versucht zu begründen und damit sind wir nicht im Konsens mit der BGE-Bewegung: Wenn man bei den Lohnabhängigen für 850 Euro Grundeinkommen agitieren geht, dann fordert man sie gerade nicht zum Kampf auf, sondern dazu, im Staat ihr Lebensmittel zu suchen. Man agitiert die Lohnabhängigen auch nicht dafür, mal was gegen ihre armselige ökonomische Stellung zu machen, sondern agitiert dafür, dass sie auf den Staat als Abfederung für ihre miese Position hoffen soll. Armut abschaffen ist eben was anderes als zu hoffen, dass der Staat Armut abmildert.
Und zu guter letzt agitierst du genauso wie jeder Bürger, ob arm oder reich, sich die Welt eh vorstellt: Das Problem hierzulande sei, dass zu wenige Geld da ist, entsprechend die Vermehrung von Geld das senkrechte Programm wäre. Damit bestätigst du die Lohnabhängigen in ihrem derzeitigen Irrtum, dass alle in einem Boot sitzen und gemeinsam nach Mitteln und Wegen suchen sollten, wie man das Geld vermehren kann. Eine konsequentere Einstimmung auf den Kapitalismus gibs wohl kaum, denn Geldvermehren kann er tatsächlich mal am Besten.
Wir sagen dagegen, dass die Armut nicht an einem Mangel an Geld liegt, sondern das Geld an sich ein Problem ist. Geld ist „gesellschaftliche Macht, die man als Privatperson in der Tasche herumtragen kann“, hat der olle Marx mal richtig gesagt. In diesem blöden ökonomischen Tatbestand, ist die Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen der anderen, den Herstellungsbedingungen von Sachen, wie Arbeitsprozess, Arbeiter und Natur enthalten. Nur weil jemand Hunger in dieser Gesellschaft hat, produziert niemand. Nur wenn er der Hunger mit einem zahlungskräftigen Bedürfnis ausgestattet ist, bewegt sich was. Und ausgerechnet mit dem Geld soll dann alles wieder ausgeglichen und fein gemacht werden?
Wie gesagt wollten wir nicht noch mal alle Argumente aus unserem Text wiederholen, deswegen lassen wir es jetzt mal dabei. Auf jeden Fall sind unsere Gedanken kein Konsens der BGE-Bewegung und auch nicht übereinstimmend mit deinen kurzen Anmerkungen. Wir glauben, Dir fehlt ein wenig die Lust zum streiten, weil du so darauf aus bist, eine breite Linke zu stiften, dass du darüber die inhaltlichen Differenzen darin glatt überliest. Aber was nützt eine breite Linke, deren Inhalte am Ende so bürgerlich sind, dass die glatt dasselbe kann, wie CDU/FDP/SPD/GRÜNE und mittlerweile auch die PDS in verschiedene Bundesländern, nämlich eine kapitalistische Ökonomie zu regieren, die ihre Armut produziert, dass es nur so kracht? Also her mit den Dissensen, damit wir vielleicht nach der Auseinandersetzung tatsächlich was gemeinsam bewegen können.
Grüße, jimmy
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