Der scheidende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel erklärt „uns“, wie „wir“ auch zukünftig noch kraftvoll zubeißen können
Anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz erklärt „uns“ der (mittlerweile ehemalige) Außenminister, was Europas und damit Deutschlands außenpolitisches Ziel sein muss: „der militärischen eine zivile und diplomatische Logik entgegenstellen. Und eine Verengung auf die Welt der Fleischfresser nicht zulassen.“ (Gastbeitrag von Sigmar Gabriel in der FAZ, 16.02.2018, S. 8)
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz treffen sich Politiker und Militärs der ganzen Welt um sich in freier Atmosphäre (also ohne Beschlüsse und Abschluss-Kommuniqués) über Krieg und Frieden in der Welt auszutauschen. Gabriel beklagt nun, dass dabei auch im Jahr 2018 „noch das Militärische gegenüber dem Zivilen“ überwiegt. Politiker und Staaten, die militärische Lösungen suchen sind für ihn Fleischfresser und die anderen, die diplomatische Lösungen suchen, sind Vegetarier.
„Dabei wissen wir Europäer aus unserer eigenen Geschichte: Krisen und Kriege werden am Ende nicht militärisch, sondern zivil und diplomatisch beendet und überwunden.“
Tja, wer hätte das gedacht, dass am Ende eines Krieges, glatt der Krieg zu Ende ist? Gabriel wärmt hier einen häufigen Fehler der Friedensbewegung auf, nach der Krieg und Verhandeln ein Gegensatz seien. Ein falscher Gegensatz, der in das Selbstverständnis-Bild der Europäer als Friedensstifter im Gegensatz zu den USA als Cowboys eingeflossen ist. Wer sich die Geschichte moderner Kriege anguckt, dem müsste dagegen folgendes auffallen:
a) Vor dem Krieg gab es immer einen Zustand des Friedens und der hatte eine Beziehung zwischen Staaten zum Inhalt, war also nicht einfach ein leeres Blatt Papier, das sich nur durch die Abwesenheit von Bombenabwürfen auszeichnete. Gewaltmonopole, bis an die Zähne bewaffnet, stehen sich gegenüber, erkennen ihre Grenzen an oder auch nicht (Gebietsansprüche). Sie gehen wirtschaftliche Beziehungen ein, damit die Nationen sich jeweils aneinander bereichern können. Dafür machen die Staaten internationale Verträge. Sie verlangen von den anderen Staaten ständig neue, verbesserte Konditionen oder versuchen alte Konditionen zu kündigen, wenn sie zum Schaden der Nation werden. Weil die erfolgreichen Staaten das Gleiche wollen – ihre Kapitalisten sollen sich an der anderen Nation bereichern – stehen sie ständig im Gegensatz. Mit anderen nicht so erfolgreichen Staaten werden Verträge gemacht, die für eine billige und zuverlässige Rohstoffzufuhr für die kapitalistische Akkumulation in den Zentren sorgen soll. Für bessere nationale Konditionen machen die Staaten Angebote und/oder erpressen sich wechselseitig. Auch wenn diese Erpressung vielleicht erstmal nur mit wirtschaftlichen Mitteln (d.h. drohende Handelsvertragsveränderung) passiert, steht das militärische Potenzial allemal mit hinter der Verhandlungsmacht. Schließlich droht dann ein Gewaltmonopol einem anderen Gewaltmonopol eine Schädigung an und das muss man sich leisten können. Soll ein anderer Staat sogar mit einem Embargo zur Vernunft gebracht werden, muss der Staat sogar allen anderen Staaten in der Welt glaubwürdig machen, dass sich ein Mitmachen des Embargos empfiehlt. (siehe z.B. die Forderung der USA an China, die Geschäfte mit Nord-Korea einzustellen). Auch hier spielt die Gewalt, die ein Staat als Drohung anderen Staaten gegenüber aufbauen kann, seine zentrale Rolle.
Kurzum: Diplomatie ist zwar nicht dasselbe wie Bomben werfen, sie beruht aber auf der glaubwürdigen Drohung, dies jederzeit tun zu können.
b) Wenn zwei Bürger eines Staates einen Vertrag abschließen, dann ist der Staat, der über sie herrscht, die Instanz, die den Vertrag letztlich mit Gewalt sichert. In den internationalen Beziehungen dagegen sind die Staaten als Vertragspartner zugleich die Instanzen, die für die Durchsetzung der Verträge gegen den Vertragspartner sorgen. Den Respekt gegen den „Partner“ müssen sie sich selbst schaffen. Darin liegt immer der mögliche Übergang, einen Antrag des anderen Staates auf Vertragsänderung als mangelhaften Respekt vor sich selbst zu übersetzen. Der andere Staat wolle nicht einfach diese oder jene Regel geändert haben, sondern indem er das macht, greift er in den Augen des betroffenen Staates quasi gleich dessen ganze Souveränität an. Diese Überhöhung ist im diplomatischen Verkehr gang und gäbe, ohne dass es gleich zum Krieg kommt. Sie findet statt in der fortlaufenden öffentlich bekannt gemachten Bewertung der Beziehungen zu anderen Staaten als „freundlich“, „unfreundlich“, „kühl“, „eisig“ oder am Ende der Skala „feindlich“. In diesen einfachen Titeln zieht der Staat Bilanz über alle diversen einzelnen Vertragsbeziehungen, die er zu anderen Staaten hat. In der Regel berücksichtigen die Staaten bzw. deren Regierungen die dabei vorhandenen wirtschaftlichen und militärischen Machtverhältnisse, welche durch diverse Bündnisse modifiziert werden. Respekt für nationale Anliegen, die andere Staaten berücksichtigen sollen, verlangen sie entlang der relativen Machtverhältnisse. Wer das aus nationalistischer Borniertheit nicht so macht, sieht sich schnell in der Lage, dass ein mächtigerer Staat einen selbst zum Feind erklärt. Die Staaten sprechen sich also Rechte in der Welt zu, die mit Ansprüchen anderer Staaten kollidieren und welche Rechte ein Staat dann tatsächlich auch zum Prüfstein internationaler Beziehungen macht, basiert auf den zugrundeliegenden Kräfteverhältnissen. So schafft staatliche Macht Rechte in der Welt und je mächtiger ein Staat vergleichsweise wird, desto mehr Rechte spricht er sich gegen die anderen zu. Da erheben Staaten den Anspruch über die wirtschaftliche oder politische Struktur der Nachbarländer mitzuentscheiden und geraten darüber in Konflikt zu anderen Regionalmächten, die dasselbe beanspruchen (etwa der Konflikt zwischen der EU und Russland hinsichtlich der Ukraine). Als Weltmacht gilt der Anspruch freilich global und dieser Anspruch mag von anderen potenten Staaten nicht anerkannt sei (so erheben Russland und China regelmäßig Einspruch, wenn die USA und seine Verbündeten in der UNO mal wieder das Recht offiziell einfordern, ein unliebsames Regime abzusetzen, wie im Irak, in Syrien oder Libyen geschehen). Und wenn andere Staaten diese Rechte nicht anerkennen, dann liegt der Übergang nahe, dass ein Staat sich entschließt, das als einen Angriff auf die ganze Souveränität zu nehmen.
Zum Krieg kommt es, wenn ein Staat meint, dass der andere Staat das Kräfteverhältnis falsch einschätzt. Jeder Staat kalkuliert bei internationalen Beziehungen darauf, dass die gegenüberstehende Seite in der Lage ist, durchzurechnen, wie militärische und wirtschaftliche Macht verteilt sind. Soweit beide Staaten die Einschätzung haben, dass die Kräfteverhältnisse (Überlegenheit, Unterlegenheit etc.) halbwegs korrekt bei den Verhandlungen eingeschätzt werden, wird weiter verhandelt. Wenn ein Staat aber meint, dass die eigentlich dem Kräfteverhältnis angemessene Unterordnung des anderen Staates nicht eingehalten wird, dann wird die Beziehung kühl, eisig und schließlich feindlich. Gerade in diesem Moment werden diplomatische Noten ausgetauscht, was das Zeug hält. Weil: Auf Krieg ist kein Staat einfach so scharf. Der Krieg vernichtet Reichtum – bei sich, wie beim anderen Staat - statt dass sich die eine Nation an der anderen bereichern kann. Eine durch überlegene Stärke gewonnene Unterordnung des Gegenübers durch dessen vorausschauende Einsicht ist viel besser als ein durch Waffengang erzwungenes Verhältnis. Vor dem Krieg steht also die diplomatische Drohung mit dem Krieg an.
c) Kommt es zum Krieg, gibt es dafür irgendeinen konkreten Anlass, der sich auch gerne gesucht wird. Der eigentliche Grund des Krieges liegt aber in all den zusammenaddierten Gegensätzen vor dem Krieg, bei denen der Staat den Eindruck hat, dass der gegenüberliegende Staat das Kräfteverhältnis nicht richtig einschätzt. Er sieht die ihm zustehende Position in der Staatenhierarchie nicht ausreichend gewürdigt und macht den Übergang, den anderen Staat, der die Anerkennung der beanspruchten Position nicht nachvollziehen mag, militärisch zu schädigen. Dessen Reichtumsquellen werden angegriffen (Land und Produktionsstätten kaputt gemacht, die Untertanen getötet) und das gegenüberliegende Militär soll dezimiert werden, damit der andere Staat seine unterlegene Position endlich anerkennt. Weil es um letzteres geht und nicht einfach um kriegsgeiles Abschlachten, wird während des Krieges fortlaufend diplomatisch weiter verhandelt im Sinne von „siehst du es jetzt endlich ein?“.
d) Der Krieg endet dann wiederum mit Diplomatie. Die Waffen schweigen, wenn der Krieg entweder so gewonnen ist, dass die andere Seite in die ursprünglichen oder auch in zusätzliche, während des Krieges gemachte Forderungen einwilligt. Oder aber der andere Staat kapituliert vollständig. So ist das Kräfteverhältnis praktisch neu entschieden und der Inhalt des Friedens ist dann immer bestimmt durch das Diktat des Siegers. Die Über- und Unterordnungsfrage ist praktisch geklärt. Damit das auch länger so bleibt, sind in den Verträgen am Ende des Krieges in der Regel lauter Abrüstungs- oder Rüstungsbeschränkungsregeln für den Verlierer enthalten. Genau wegen des Wissens des Siegers darum, welche Bedeutung Militärstärke im Frieden hat, wird diese in weiser Voraussicht bei dem Verliererstaat beschränkt (das hat das Deutsche Reich nach dem ersten Weltkrieg und die BRD nach dem zweiten Weltkrieg erfahren).
e) Wegen des Wissens um die Bedeutung der Gewaltmittel im Frieden, drehen sich sehr viele zwischenstaatliche Verträge oder Streitfragen um die Rüstungsbemühungen der Staaten. Übergänge in den Krieg finden dann häufig seinen Grund weniger in bestimmten wirtschaftlichen Fragen, sondern vor allen in Fragen um Kriegsgerät. Nord-Korea und Iran wollen das von der USA beanspruchte Recht, in ihren Regionen entscheidend mitzubestimmen in Ordnungsfragen, nicht anerkennen. Damit handeln sie sich die Feindschaft der USA ein und sehen sich einer permanenten Kriegsdrohung ausgesetzt. Nicht um die USA zu überfallen, wohl aber um einem potentiellen Überfall der USA auf sich selbst eine hohe Schadensbilanz für die US-Streitkräfte entgegenzusetzen, bemühen oder bemühten sie sich um Atomwaffen (aus demselben abschreckenden Grund bemühen sich viele Staaten um Chemiewaffen). Diese Bemühungen sorgen dann für einen neuen konkreten Kriegsgrund, weil die überlegenden Staaten oder die USA eben genau das nicht wollen: Ihre Kriegsführungskalkulation mit potentiellen hohen menschlichen und materiellen Opfern zu beschweren.
f) Nach einem Krieg ist wieder Frieden und die Staaten belämmern sich mit ihren gegensätzlichen Interessen auf Grundlage der neuen Über- und Unterordnung. Auch der Verlierer kann sich was rausnehmen, aber eben nur relativ zu dem neuen Kräfteverhältnis – sonst steht der nächste Waffengang an. Für den Sieger war der Waffengang ein Mittel des nationalen Bereicherungsinteresses, wenn er nach dem Krieg bessere Über- und Unterordnungsverhältnisse vorfindet, um jetzt den anderen Staat für die nationale Reichtumsvermehrung besser benutzen zu können. Manchmal haben Kriege aber auch ein Unentschieden zum Resultat, d.h., die Staaten einigen sich diplomatisch darauf, dass derzeit keine Seite gewinnen kann. Statt die Vernichtung von Reichtum fortzusetzen – was sich die Staaten auf Dauer nicht leisten wollen, weil andere Staaten wie die Geier auf die Kräfteverzehrung lauern – vereinbart man einen Waffenstillstand ohne eine große Veränderung der vor dem Krieg bestehenden internationalen Verträge. Frieden ist angesagt, weil der Krieg für die Staaten derzeit keinen Sinn macht, und im Frieden wird sich bemüht, mittels neuer Aufrüstung oder Bündnispartner den alten Streit dann doch nochmal irgendwann zu „lösen“. Die Staaten arbeiten dann auf einen Zustand hin, in dem der Krieg wieder Sinn macht, also gewonnen werden kann.
Fazit: An allen Etappen des zwischenstaatlichen Verkehrs zeigt sich, dass Gewalt wie Diplomatie zu jeder Zeit Mittel kapitalistischer Staaten sind und das beide Mittel zeitgleich zum Einsatz kommen, weil sie notwendig zusammengehören.
Das weiß natürlich auch jeder Außenminister der Weltwirtschafts- und „Friedensmacht“ Deutschland:
Bevor Deutschland afghanische Polizisten ausbilden konnte, mussten die USA die Taliban erstmal wegbomben. Bevor Deutschland die irakischen Kurden mit Waffen und Ausbildung daran beglücken konnte, hatten die USA Saddam Hussein weggebombt. Bevor Deutschland in Mali Soldatenausbildung betreiben konnte, musste Frankreich die Tuareg/Islamisten-Kämpfer in die Wüste zurückbomben. Überall ist Deutschland mit Sanitätern und Überwachungsleistungen bei NATO-Einsätzen beteiligt. Dass die nur Sinn machen, wo Leute verletzt werden (also auch sterben) und wo aus der Überwachung Informationen fließen, die dann die Bomber von anderen Staaten unterstützen, sollte klar sein.
Was soll also dieses ganze Gerede von Flexitariern versus Fleischfressern?
In Sprachbildern aus dem höheren Himmel der Werte (Frieden und Verhandeln besser als Krieg) reagiert Gabriel auf eine Ansage aus den USA und versucht sich hier strategisch zu positionieren:
Trump (wie schon Obama vor ihm) ist sehr unzufrieden mit der Höhe der Militärausgaben seitens seiner NATO-Partner in Europa. Er verlangt von ihnen mehr Geld für's Militär zu verpulvern (mindestens 2% des BIP), andernfalls will er seine Bündniszusagen ggf. neu überdenken. Wenn er von anderen Staaten mehr Militärkraft verlangt, ist klar, dass er davon ausgeht, dass diese nicht gegen die USA verwendet wird, sondern sich innerhalb der NATO für die Interessen der USA nutzbar machen lässt.
Dass die Ansage Trumps die Europäer unruhig macht, Frankreich dem Antrag der USA zustimmt und auch die CDU dies zumindest langfristig so machen will, verweist darauf, dass die Bedeutung der europäischen Rolle in der Welt auf der militärischen Absicherung durch die USA basiert. Das ist kürzlich wieder deutlich geworden: Deutschland musste feststellen, dass die „friedliche“ Eroberung des ehemaligen Ostblocks mittels wirtschaftlicher Anreize und Erpressungen am Fall der Ukraine durch Russland gestoppt wurde: Mit einfacher militärischer Gewalt.
Aber auch das Wunder, dass sich lauter Großmächte innerhalb Europas nach zwei Weltkriegen mit zig Millionen Toten siebzig Jahre lang friedlich (im Sinne von: ohne Kriege) miteinander arrangieren, ja sogar zu einem Bündnis geworden sind, beruhte darauf, dass die USA zuviel Gegensatz und erst Recht einen Waffengang im westlichen Europa einfach nicht erlaubt hätten – zu wichtig war der Kampf gegen den Ostblock. So ist auch erklärt, warum die Wirtschaftsmacht BRD die Führungsrolle in der EU hat und nicht die Atommächte Frankreich und UK. Wo militärische Mittel quasi durch noch überlegenere Mittel der USA innerhalb der EG/EU neutralisiert sind, entfaltet sich eben die wirtschaftliche Macht in Reinform, wenn es um Unter- und Überordnungsfragen geht.
Trump kündigt jetzt aber „America first“ an und will nicht mehr eine bestimmte Weltordnung führend organisieren. Stattdessen beansprucht er einfach so Überlegenheit. Damit geht dann die Sicherheit der bisherigen Räson der EU nach innen, wie nach außen, flöten.
An Trump stört nicht nur seine 2%-Forderung, sondern die Tatsache, dass er gleichzeitig Entwicklungshilfe drastisch kürzen will. Auf diese Strategie reagieren CDU und SPD gleichermaßen verschnupft. Beide betonen die Wichtigkeit des Zusammenspiels beider Sachen. Sie gehen dabei dann unterschiedlich auf Trump ein.
Die CDU stellt sich auf diese neue Lage so ein: Durch höhere Militärausgaben und besserer militärischer Zusammenarbeit in Europa soll das Staatenbündnis einerseits unabhängiger von den USA werden. Zugleich versucht sie durch die langfristige Erfüllung des durch Trump geforderten 2%-Ziels, die USA milde zu stimmen und hofft dadurch, die bisherige militärische Absicherung der Rolle Europas durch die USA erstmal auch zu behalten. Gleichzeitig ermahnt die christdemokratische Verteidigungsministerin von der Leyen zur Bündnistreue und erinnert den US-Präsidenten gleichzeitig daran, dass es ja „kein Schuldenkonto in der NATO“ gebe. (FAZ, 17.03.2017). Dass Entwicklungshilfe und Krieg dem selben Zweck untergeordnet sind, darauf verweist sie gleich zur Eröffnung der Münchener Sicherheitskonferenz 2018: „Wenn wir IS unter schwersten Kämpfen aus einer Stadt vertrieben haben, dann gewinnen wir die Herzen der Menschen nur, wenn auch Wasser, Elektrizität und Jobs schnellstmöglich wieder da sind. Zugleich müssen die Aufbauhelfer aber dann auch wissen: sie sind nicht allein und schutzlos – Soldatinnen und Soldaten stehen an ihrer Seite. Einer kann nicht ohne den anderen.“ (https://www.bmvg.de/de/aktuelles/europaeischer-werden--transatlantisch-bleiben-22174)
Die FAZ übersetzt es freundlicherweise nochmal für die Leserschaft: „Ohne die Regierung Trump beim Namen zu nennen warnte von der Leyen vor einer Allianz, in der die einen für das scharfe Ende des Berufs zuständig sind – sprich: das Töten – und andere sich um die humanitären Folgen kümmern“ (FAZ, 16.02.2018)
Hier hat die SPD einen etwas anderen Standpunkt: Sie stört sich daran, einfach umstandslos auf die Forderung Trumps einzugehen, weil das ja gerade das Gegenteil von Deutschlands und Europas Unabhängigkeit ist. Sie will das bisherige Prinzip, bei dem Deutschland von der Militärmacht der USA schmarotzt und sich auf dessen Basis als Weltfriedensmacht präsentiert, nicht kampflos aufgeben. Daher propagiert Gabriel die Idee, dass bei dem 2%-Ziel, das von den NATO-Staaten gefordert wird, auch Ausgaben für Entwicklungshilfe oder sonstige „zivile“ Taten, wie Polizeiausbildung im Ausland, angerechnet werden sollten.
Sein Amtsnachfolger Heiko Maas scheint diese Linie fortzusetzen. Im Gegensatz zu Gabriel betont er aber auch die Gemeinsamkeiten der westlichen Mächte: die Feindschaft zu Russland zum Beispiel. Als Beitrag dazu plant Deutschland, auf seinem Gebiet ein neues Planungs- und Führungszentrum für schnelle Truppen- und Materialtransporte der NATO zu bauen. Wohl kaum jemand zweifelt, an welchen potentiellen Gegner damit ein Warnsignal rausgeht. Die FAZ stellt es aber nochmal klar: „Mit der Stärkung ihrer Kommando- und Streitkräftestruktur reagiert die Nato vor allem auf die als aggressiv wahrgenommene Politik Russland“ (FAZ, 8.02.2018).
Zugleich ist Gabriels Betonung all der „zivilen“ Leistungen, die Deutschland bringt und die so wichtig seien in der Welt, auch eine Ansage an Frankreich: Das Kräfteverhältnis innerhalb der EU darf sich jetzt nicht verschieben, weil Militär angeblich wichtiger werden wird.
Natürlich hängt die Reaktion Frankreichs oder anderer Staaten, nicht von der Überzeugungskraft des Wertehimmel-Artikels eines deutschen Außenministers in der FAZ ab. Solche Artikel werden gemacht, um Ansagen zu machen, die Umsetzung muss dann noch gelingen. Nach innen hin dienen solche Artikel der moralischen Legitimation dessen, was ein Außenminister dann mit aller diplomatischen Gewalt nach außen durchsetzen will.
Von daher ist klar: Wenn Gabriel „uns“ auf eine Flexitarier-Ernährung festlegen will, also Diplomatie und Krieg einsetzen will, mit dem Ziel „eine Verengung auf die Welt der Fleischfresser nicht zuzulassen“, plant er locker die Bevölkerung, über die er regiert, wirtschaftlich und militärisch mit ein, um dem Kampf gegen die unvernünftigen anderen Staaten aufzunehmen. Und wer lauter Raubtiere bändigen will, der muss natürlich in letzter Konsequenz selber ein Raubtier sein. So ist bei Gabriel die kriegsträchtige Logik klar ausgesprochen: Wenn sein jetziges Konzept nichts bringt, dann sind irgendwann die anderen Staaten schuld und haben es nicht anders verdient, dass Deutschland sich dann leider immer mehr zum Raubtier entwickeln muss. Diese Konsequenz mögen Gabriel bzw. sein Nachfolger Maas selber irgendwann ziehen oder sie der CDU oder gleich der AfD überlassen. Einen Beitrag für ein Volk, das da mitmacht, ist Gabriels Artikel allemal. Wie heißt es so schön: Wer den Frieden will, rüste sich zum Krieg.
Wie sehr die Außenpolitik vom inneren Frieden abhängt, also dass die Bevölkerung jeden Scheiß letztlich mitmacht, die die eigenen Führer beschließen, buchstabiert Gabriel explizit vor, wenn er thematisiert, wie genau sich das Ausland den langen Regierungsbildungsprozess in Deutschland angeguckt hat: „Unsere Konzentration auf uns selbst wird bei den einen erstaunt, bei den anderen bereits zynisch betrachtet.“ Gabriel gibt aber Entwarnung: „Denn trotz aller politischen Volten der letzten Monate regiert unser Land ja erstaunlich gelassen und setzt einfach seinen Erfolgsweg fort.“ Er hält also die Regierungsbildungsprozesse der Jahreswende 2017/2018 für kein Glanzstück, aber Pi mal Daumen ist doch alles in Butter. Während der Regierungsbildung gab es ja noch die alte Regierung und die hat einfach weitergemacht und daran kann die neue Regierung nahtlos anknüpfen. Nie gab es eine Pause in Sachen Herrschaftsausübung innerhalb von Deutschland. Zu jedem Zeitpunkt gab es eine Führung, die anderen Staaten Ansagen machen konnte und dabei mit dem eigenen Land und den eigenen Leuten wuchern konnte. „Einige wollen in solchen Prozessen einen erneuten Beweis für die ´westliche Unterlegenheit´ sehen, obwohl die offene Debatte in Wahrheit ein Zeichen unser Stärke ist.“ Also: Der politische Streit der Parteien um die richtige Politik sorgt am Ende für die bessere Einheit von Volk und Regierung. Das Volk bekommt Gelegenheit, sich konstruktiv in alle Nöte der Regierung, also in die Herrschaftsausübung, reinzudenken, mag sich durch die Parteistandpunkte, die in die Regierungsarbeit einfließen, besser repräsentiert fühlen und macht dann bei allem mit, was die Regierung dann nach außen anstellt. Da rechnet also Gabriel China, Russland und dem Iran vor, dass „unser“ demokratisches Systemfür den Zweck, eine unbedingte Gefolgschaft derjenigen herbeizuregieren, die für den Krieg dann die tatsächlichen Opfer bringen müssen, optimal ist.
Ein Text von den Gruppen gegen Kapital und Nation, Mai 2018