05.05.2002 PDF

Der NPD-Aufmarsch: Ein paar Verwirrte stören Ruhe und Ordnung Barsinghausens?

Gegen den NPD-Aufmarsch am 27. April 2002 in Barsinghausen auf die Straße gehen - mit guten Gründen statt als Imagekampagne

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Die NPD - eine Partei von Deutschen für Deutsche?
Die NPD macht Werbung für eine erfolgversprechendere Politik. Dabei geht es nicht um irgendeinen Erfolg, sondern um einen für die deutsche Nation. Dafür ist es nach Auffassung der NPD, ihrer Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) und ähnlicher Leute entscheidend, radikal gegen alles vorzugehen, was als undeutsch identifiziert wird.

Was ist deutsch...
Von Geburt an gibt der deutsche Staat seinen Bürgern exklusive Rechte und Pflichten, indem er sie zu Deutschen macht. Andere, die auch hier leben, sind damit vom Staatsbürgerstatus ausgeschlossen. Ein Ausschluss, dessen Folgen von schikanöser Behandlung durch Ausländerbehörden bis hin zur Zwangsunterbringung in Abschiebegefängnissen reicht, je nachdem, inwieweit man hier offiziell zum "Aufenthalt berechtigt", "geduldet" oder nicht wird. (Beide Begriffe werden im geltenden deutschen Ausländerrecht verwendet.) Deutsch, nicht deutsch, die prinzipielle und gewaltsame Andersbehandlung von allem, was nicht deutsch ist - das ist keine Erfindung von Nazis. Aber etwas, was der Staat, wenn es nach NPD und Co. ginge, noch viel strikter durchsetzen sollte.


... und was ist deutsche Politik?
Nur gegen Ausländer zu sein reicht den aufrechten Rechten nämlich nicht aus. Jede/r, der/die den Erfolg der deutschen Nation nicht voranbringt, soll aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen werden und wird trotz deutscher Staatsbürgerschaft als undeutsch denunziert: frühere Einwanderer, Juden, Behinderte und andere "unnütze Esser", "Arbeitsscheue", Schwule, Sozialisten, Kommunisten usw. Diese Sortierung ist ernst gemeint. Politik solle von und für die nationale Schicksalsgemeinschaft gemacht werden - eine Gemeinschaft, so die Vorstellung von NPD und anderen Nazis, deren Erfolg von außen und von innen permanent geschmälert wird. Der Staat mache noch viel zu viele Kompromisse, und dürfe das Nationalinteresse nicht an Menschlichkeit, internationalen Abkommen oder irgend etwas anderem relativieren.

"Du bist nichts, Dein Volk ist alles"
Wenn man nur konsequent genug alle volksfremden Elemente ausgemerzt hat, so die Auffassung der NPD, dann kann eine nationale Regierung auch endlich eine Politik machen, die dem ganzen (Rest-)Volk nützt. - Eine nicht nur brutale, sondern auch dumme Vorstellung. Vier Millionen Arbeitslose gibt es nicht deshalb, weil "Arbeitsscheue" lieber ihre Stütze zu Aldi tragen als einen Job zu machen oder weil "die Ausländer" all die gut bezahlten Jobs besetzt halten, für die Deutsche schon immer Schlange standen. Arbeitslosigkeit gibt es, weil es sich für das Kapital (auch das deutsche) eher lohnt, Leute nicht zu beschäftigen, als sie einzustellen. Und die Renten sinken nicht deshalb, weil es "zu viele" Behinderte gibt, sondern weil das, was die Leute später im Alter essen werden, heute als Lohnnebenkosten Kapital und Politik stört. Aber solche "innerdeutschen" Interessengegensätze gibt es laut NPD gar nicht. Und das passt prima zur demokratischen deutschen Mehrheitspolitik, die an diese Gegensätze ebenfalls nicht rühren möchte.

X-tausend überzeugte, organisierte - "Einzel-"Täter?
Die Nazis hoffen nicht darauf, dass die derzeitige Regierungspolitik die "wahren" deutschen Probleme lösen wird; sie nehmen ihr Anliegen selbst in die Hand. Z.B. indem sie für `national befreite Zonen' sorgen, oder in Barsinghausen den linken Jugendtreffpunkt "Falkenkeller" überfallen. Die Übergriffe sind ideologisch konsequent begründet, und diese Ideologie ist in einem modernen Nationalstaat wie Deutschland nicht einmal aus der Luft gegriffen - siehe oben. Damit ist klar, dass es sich keineswegs um Taten verwirrter Einzeltäter handelt. Seit 1990 wurden mehr als einhundert Menschen von deutschen Nazis umgebracht. Das wäre eine sehr seltsame Häufung von Taten Einzelner. Es ist falsch, die Aktionen der NPD oder anderer Nazis auf sich beruhen zu lassen in der Hoffnung, dass sich das schon wieder gibt. Die Aufmärsche und sonstigen Aktionen von Nazis sind als Bedrohung ernst zu nehmen, weil die Nazis damit ein Programm verfolgen, das sie ernst meinen.

Die NPD-Kundgebung: lauter Ver(w)irrte?
Es handelt sich bei dem Projekt einer deutscheren Politik für Deutschland nicht um einen Flitz verwirrter oder vernachlässigter junger Menschen. Im Gegenteil: Die Vorstellung der NPDler davon, was deutsch ist, hat jede Menge Bezüge zu dem, was in Gesetzen steht und in der deutschen Öffentlichkeit vertreten wird. Im Grundgesetz ist z.B. festgeschrieben, dass Deutscher ist, wessen Eltern deutsche Staatsbürger sind. Das ist die Grundzutat des offiziellen demokratischen Nationalismus. Erst an Maßnahmen wie der erleichterten Einbürgerung á la Rot-Grün scheiden sich die Geister. Die derzeitige Regierung propagiert, dass in Deutschland noch am ehesten Ruhe und Ordnung herrschen, wenn man Ausländern, die hier seit eh und je leben, sich an die deutschen Gesetze halten, deutsche Kultur und Werte anerkennen etc., das Angebot macht, deutsche Staatsbürger zu werden. Das bedeutet nicht, dass die Bundesregierung dem Rassismus abschwört, sondern dass sie einen bestimmten Maßstab beim Umgang mit Ausländern verfolgt. Nämlich den: Ausländer rein, wenn sie Deutschland nützen und konsequent raus, wenn sie keinen Nutzen versprechen. Den menschenverachtenden Maßstab des nationalen Nutzens teilen sie alle - nur wie er genau aussieht ist zwischen den "etablierten Parteien" und den "Rechten" umstritten. Letztere wollen mit der prinzipiellen Ausgrenzung aller nichtdeutschen Mitbürger Ernst machen und werfen den etablierten Parteien vor, nicht konsequent für Deutschland alles Undeutsche zu liquidieren.

Deutschland und seine Nazis: wohldosierte Gewalt - und keinerlei Kritik
Die derzeitige deutsche Staatsführung will sich auf die von ganz rechts angebotene Alternative im Parteienwettbewerb nicht einlassen. Sie kritisiert die Form der Nazi-Aktivitäten, und evtl. noch ihre Antiquiertheit. Da nehmen Leute die Gewaltausübung selbst in die Hand (begehen also Straftaten) und sind überhaupt nicht daran interessiert, zeitgemäße Standortpolitik zu betreiben! Die aktuelle Regierungsmannschaft hat ein schlagendes Argument gegen alle weiteren Aufrufe aus der rechten Ecke: die Stigmatisierung der Nazis als "Extremisten". Das ist der Titel für einen gewaltsamen Ausschluss der NPD aus dem Parteienwettbewerb, das Parteienverbot. Mit einer inhaltlichen Kritik an dem, was Nazis wollen, hat dieser angestrebte Ausschluss allerdings nichts zu tun.

Barsinghausen: immer antifaschistisch ...
Wenn - wie in Barsinghausen am 9.3. - PDS, Grüne, SPD, FDP und CDU gegen Nazis protestieren, ist ihr Hauptkritikpunkt an den Kameraden, dass sich diese nicht an die demokratischen Spielregeln halten, dass sie gewalttätig sind und den Ruf der Stadt, der Region, des Landes schädigen. Nicht zufällig weiten solche Leute ihre Aufrufe an die Nazis (sich doch mal zu benehmen, der Gewalt eine Absage zu erteilen) schnell auch auf linke AntifaschistInnen aus. In den Augen dieser "Kritiker" kann es dann keinen nennenswerten Unterschied geben zwischen Nazis, die ein Jugendzentrum zerlegen und AntifaschistInnen, die versuchen eine Nazidemo zu verhindern. Ganz folgerichtig hatte der Redebeitrag des Barsinghausener Bürgermeisters auf der Kundgebung am 9.3. nur zwei Punkte. 1. Das Selbstlob, dass Barsinghausen nun bewiesen habe, nicht so böse zu sein, wie es die NPD-Kundgebung erscheinen lässt. 2. Der Appell an die Gegendemonstranten, friedlich zu sein, weil dieser Beweis ja sonst nicht gelänge. - Ob er irgend etwas gegen NPD-Politik hätte, wenn deren Ziele mit legalen Mitteln verfolgt würden, war dem Beitrag nicht zu entnehmen.

... bzw. immer, wenn es Barsinghausens Image nützt
Wer sich das Standortimage der Stadt zum politischen Programm macht und auf die daraus entstandenen Spielregeln pocht, hat der NPD nichts entgegenzusetzen. Solch ein Widerstand gegen Rechts gilt nur so lange, wie sich der Antifaschismus als friedliche Bewegungsfolklore im Stadtkern durchführen lässt, und die Nazis nur nach so viel Spielraum verlangen, dass man sie unter Beachtung der Spielregeln in eine "Nebenrolle" drängen lassen kann. Aber wenn eine große Nazidemo quer durch Barsinghausen stattfindet - wer verhindert die? Und, noch vertrackter, wer tut das unter Einhaltung der Spielregeln, die auch den ordnungsgemäß angemeldeten Stiefelfaschisten ihr Recht auf Meinungsfreiheit garantiert? Aber glücklicherweise hat man die Ablehnung des "Rechtsextremismus" bereits öffentlich beschworen ("Wir bleiben hier!") - und soviel muss fürs erste reichen, symbolisch irgendwie. Was von AntifaschistInnen aus SPD, CDU, Grünen, FDP zu erwarten ist, wissen wir spätestens jetzt: manchmal machen sie aus lauter Zivilcourage eine Gegenkundgebung, wenn Nazis in ihrem Ort aufmarschieren; manchmal verbieten sie jede Gegenkundgebung. Sie haben grundsätzlich nichts gegen den gesetzestreuen Staatsrassismus einzuwenden. Und auch nicht gegen NPD und Co, solange diese sich an Recht und Ordnung halten und nicht so auffällig werden, dass es das Kleinstadtidyll stört. Genau das, ihr wohlgeordnetes Kleinstadtidyll inklusive Nazi-Demonstration, wollen sie nun mit großem Polizeiaufgebot gegen linke AntifaschistInnen verteidigen.

Wir nehmen nicht hin, dass die Anhänger der NPD als traurige Ausnahmefälle verharmlost und toleriert werden! Wir gehen am 27.4. in Barsinghausen auf die Straße!
Deutsche Ausländerpolitik drangsaliert und tötet täglich. Wir setzen uns dieser alltäglichen rassistischen Gewalt des deutschen Staates entgegen!
Und weil NPD und Co mit ihrer Gewalt noch weiter gehen, setzen wir uns auch deren Aktionen entgegen!


RedPill, Postfach 910429, 30424 Hannover - 2. überarbeitete Auflage 23.04.02


Dieser Text wurde am 27.04.02 in Barsinghausen verteilt.