Die Zeiten sind hart. Das "Soziale" ist zu teuer, der Staat behauptet, pleite zu sein, und wer einen Job haben will, klar, der muß eifrig Zugeständnisse machen. Weltweit werden nicht weniger Menschen arm, sondern immer mehr. Gleichzeitig mit dem Aufkommen des Modewortes Globalisierung als Rechtfertigung für eine neue Standortpolitik, die solche Folgen hat, formiert sich Anfang der 90er Jahre eine Gegenbewegung kritischer Bürger.
Mit dem Schlagwort Globalisierung liegt ein neue Betrachtungsweise des Weltmarkts vor. Innerhalb der öffentlichen Diskussion darüber nehmen die Globalisierungskritiker eine alternative Position ein. Während die bürgerlichen Befürworter der Globalisierung darüber streiten, was die Globalisierung für das Gedeihen der eigenen Nation bringt, treten die Globalisierungskritiker dem von den Regierungen neu eingeschlagenen Weg in Sachen Bereicherung am Weltmarkt mit Ablehnung gegenüber. Dabei verweisen sie auf die Auswirkungen eines liberalisierten Weltmarktes - auf das weltweit stattfindende Elend - und kritisieren daher eine "verfehlte" internationale Wirtschaftspolitik, die sich von "neoliberalen" Grundsätzen leiten läßt. In ihrer Betrachtungsweise des Weltmarkts erscheinen die staatlichen Entscheidungen wie ein Hohn auf alle guten Ziele eines globalen Miteinanders.
Nichtsdestotrotz wissen Globalisierungskritiker irgendwie, daß es beim internationalen Handel und Wirtschaften um Kapitalismus geht. Und daß die Anerkennung dieser Wirtschaftsweise und ihrer Staatsgewalt allen ihren Lösungen der "Menschheitsprobleme" vorausgesetzt ist. Die Auswirkungen dieser Wirtschaftsweise werden dabei nicht als ökonomisch notwendige betrachtet, sondern als durch den Staat rein willkürlich zugelassene. Daher bemüht sich die Agitation der Globalisierungskritiker darum, die bürgerlichen Staaten dazu zu bewegen, die Härten des internationalen Kapitalismus durch neue Gesetze abzumildern oder sogar auszugleichen.
Warum gut? Wenn es auch weniger schlecht geht?
Am kapitalistischen Weltmarkt fällt den Globalisierungskritikern auf, daß seine derzeitige Organisation, an der maßgeblich die reichsten kapitalistischen Staaten ihren Anteil haben, das Elend in der Welt verstärkt und die weltweite Armut der Bevölkerung in Kauf nimmt. Ihre Kritik setzt aber weder an der auf dem Weltmarkt existierenden Konkurrenz der Staaten um den produzierten kapitalistischen Reichtum an, noch versucht sie, die Verfaßtheit des internationalen Handels aus seinen eigenen Maßstäben heraus zu erklären. Und damit stellen sie auch nicht das Verhältnis zwischen der kapitalistischen Produktionsweise und dem von ihr geschaffenen Elend dar. Sondern die Globalisierungskritiker vergleichen die Realität der kapitalistischen Welt mit ihren Ansprüchen an Staat und Wirtschaft, die ihrer Ansicht nach dazu dasein sollten, die Lebensbedingungen aller Menschen in der Welt zu verbessern. Bei diesem Vergleich kommt zwar heraus, daß die kapitalistische Welt so nicht eingerichtet ist, aber sie kontern dann nicht damit, daß dann der Kapitalismus abzulehnen ist, sondern daß er verstärkt zu reglementieren sei. Alle Institutionen und Subjekte des Kapitalismus werden dann an den "Mängeln" ihrer Maßnahmen und Unternehmungen in Bezug auf die guten Ziele kritisiert, ohne daß darauf aufmerksam gemacht wird, daß sie nicht geschaffen worden sind, die Nöte der Leute zu lindern.
Die Globalisierungskritiker treffen dabei auf ein besonderes Verständnis ihrer Position auf Seiten der Politik, das den Schein unterfüttert, daß die Abschaffung des Elends innerhalb der kapitalistischen Welt möglich sei und eigentlich von den Staatsagenten gewollt werde. Denn den Schein der Gutmenschlichkeit gibt sich noch jeder Politiker, der sich über das Elend untröstlich zeigt. Und noch jede für die Menschen, die sie auszuhalten haben, harte Maßnahme, die die Politik bei ihrer Standortpflege in Kraft setzt, wird mit der Entschuldigung verkauft, daß die derzeitige Lage auf dem Weltmarkt nichts anderes erlaube, auch wenn man eigentlich nur menschheitsbeglückende Gesetze erlassen wolle. Zwar kritisieren die Globalisierungskritiker diese Aussagen als Heuchelei, nehmen sie aber insofern ernst, als daß sie unterstellen, daß auch die Politik auf irgend eine Art und Weise ihren Zielen und Werten zustimmt. Verglichen an diesen Zielen blamiere sich die Politik mit ihren Maßnahmen. Daher fordern sie von der Politik, daß sie gefälligst mit dem staatlichen Gewaltmonopol den Opfer dieser Produktionsweise Schutz vor den Härten derselben gewähre, anstatt ihre Gewalt für die Verbesserung der Bedingungen des Kapitals auf Kosten der Lohnabhängigen einzusetzen.
Der Staat, der beste Freund des Menschen
Die Globalisierungskritiker unterstellen, daß ein abgefederter Kapitalismus möglich sei, wenn nur die bürgerlich-kapitalistischen Staaten mit ihrer profitorientierten Politik Schluß machten. Dabei machen sie gegenüber dem kapitalistischen Staat ein eigenwilliges Zugeständnis: Sie betrachten die Staaten nicht als die politischen Gewalten, die erst dem Kapitalismus Wirklichkeit verschaffen, sondern als Anhängsel eines nicht mehr unter staatlicher Kontrolle stehenden kapitalistischen Wirtschaftens. Gleichzeitig behaupten sie auch das Gegenteil, wenn sie gerade die ohnmächtigen Staaten als die Subjekte deklarieren, die mit den "Ungerechtigkeiten" des Weltmarktes Schluß machen könnten. Diese widersprüchliche Vorstellung über das Verhältnis von bürgerlichem Staat und Kapital verschleiert den Zusammenhang, der zwischen den Interessen der beiden besteht und unterstellt eine Stellung des bürgerlichen Staates gegenüber seiner Wirtschaftsweise, die dieser nicht anstrebt. Denn der bürgerliche Staat ist der politische Garant der kapitalistischen Produktionsweise, seine Maßnahmen haben in der Hege und Pflege der Konkurrenz ihren Maßstab.
Es ist eben falsch, die reichen bürgerlichen Staaten als ohnmächtig darzustellen, weil sie dem Drängen der Kapitalisten nach weiteren Profitmöglichkeiten nachgegeben hätten. Daß die Liberalisierung des internationalen Finanzmarkts eine bewußte und gewollte Entscheidung der reichsten Staaten war, die sich davon viel kapitalistischen Reichtum für ihr Wirtschaftswachstum versprechen, wird eben nicht als ein konsequenter Fortgang des weltweiten kapitalistischen Geschäfts betrachtet, sondern als ein politischer und ökonomischer Fehltritt, der allen nur zum Nachteil gereiche. Dabei kommt dem globalisierungskritischen Blickwinkel die in der Politik übliche Klage über den "schlechten" Ertrag am Weltmarkt zugute, die den Eindruck verstärkt, auch den reichsten Staaten wären ihre Deregulierungen über den Kopf gewachsen. Es sind aber auf Seiten der Globalisierungskritiker und der Staatsagenten zwei verschiedene Maßstäbe unterwegs: Den Globalisierungskritikern schwebt eine Regulierung des Kapitalismus vor, die den national akkumulierten kapitalistischen Reichtum zum Mittel der Entwicklung armer Staaten und zur Unterstützung der darbenden Bevölkerungen machen soll. Für die bürgerlichen Staaten ist dieser unter ihrer Herrschaft monopolisierte Reichtum die Grundlage ihrer Macht. Und als solche wollen sie den akkumulierten Reichtum auch verstanden und gemessen wissen, weshalb sie gerade solche Maßnahmen durchsetzen, von denen sie sich versprechen, daß die internationale kapitalistische Konkurrenz für sie erfolgreich ausgeht.
Als Willy Brandt Bundeskanzler war ...
Die Globalisierungskritiker blicken gerne in die Vergangenheit, um zu illustrieren, daß früher, bevor also alles dem "ungerechten" Diktat des Weltmarkts unterworfen wurde, solche Sachen wie Sozialstaat und hohe Löhne möglich waren. Die 60er Jahre der Bundesrepublik mit Vollbeschäftigung und funktionierenden Sozialversicherungen (sicheren Renten) erscheinen so als Idyll und Blaupause für die zu erlangende neue weltweite Wirtschaftsweise. Die Auffassung, früher wäre alles besser gewesen, übersieht, daß auch die Verhältnisse in den 60er Jahren davon bestimmt waren, daß die kapitalistische Rechnung aufgeht. Das Funktionieren der Sozialversicherung zu dieser Zeit hat viel mit der Vollbeschäftigung während der Expansion der deutschen Wirtschaft rund um den Globus zu tun. Die Sozialkassen funktionierten, weil sie ja nicht massenhaft in Anspruch genommen wurden. Auch in den 60er Jahren wurde um Märkte und Löhne konkurriert und wurden gerade die Bedingungen geschaffen, die heute eine Liberalisierung der internationalen Konkurrenzverhältnisse opportun erscheinen lassen.
Den bundesrepublikanischen Sozialstaat in den 60er Jahren so kritiklos als anzustrebenden Zustand darzustellen, erklärt nicht den Zweck der Sozialkassen. Die "Errungenschaften" der Sozialversicherungen waren nie dazu da, den Leuten ein "schönes Leben" zu verschaffen, wie attac! meint. Sondern Sozialversicherungen gibt es deshalb, weil die Lohnabhängigen sowieso nur von der Hand in den Mund leben können. Durch die Sozialleistungen wird erreicht, daß sie prinzipiell weiter zur Verfügung stehen, auch wenn sie gerade arbeitslos oder krank sind. Und nach 40 Jahren Maloche sollen die Zwangsersparnisse der Rentenkasse dazu ausreichen, einen über die Kosten des Alters zu bringen. Dabei ist die Alimentierung der Arbeiterklasse einem Vorbehalt unterstellt, nämlich dem, daß die Lohnhöhe nicht zu einem Problem für das Kapital werden darf. Schließlich bestehen die Sozialkassen aus einem Abzug vom Lohn. Da in der weltweiten Konkurrenz der niedrige Lohn der Lohnabhängigen ein Standortvorteil ist, ist es auch konsequent, daß die Sozialkassen vom Staat als Hebel zur Senkung der nationalen Lohnkosten benutzt werden. Und daher gerade zusammengestrichen werden.
Utopie a l'attac!: Ausbeuten und Zurückschenken
Es will vielen Globalisierungskritikern nicht in den Kopf, daß in einer Welt, in der der Profit das Ziel jedes Wirtschaftens ist, sich auch alle Bedürfnisse am Profit relativieren müssen. Daher lautet auch eine ihrer Parolen: "people not profits". Und wenn dann noch z.B. in den Statuten des IWF solcherlei Dinge drin stehen wie weltweite Vollbeschäftigung und überall Wirtschaftswachstum, dann wird so eine Organisation von den Globalisierungskritikern entweder wegen ihrer Heuchelei oder ihrer nicht wirklich richtig umgesetzten Maßstäbe kritisiert. Statt den IWF als Exekutor internationaler Konkurrenzverhältnisse zu betrachten, und daher nicht als Mittel, das Elend zu bekämpfen, sondern als Teil des Problems, wollen die Globalisierungskritiker den IWF reformieren. Also das Verhältnis, für das der IWF steht, beibehalten, aber eben so reformieren, daß es nicht seine schlechten Auswirkungen hat.
Die Globalisierungskritiker prangern zweierlei an: Zum einen weise das weltweite Elend darauf hin, daß es auf dem Weltmarkt "ungerecht" zugehe - dies sei ja augenscheinlich daran festzustellen, welchen unterschiedlichen Ertrag die einzelnen Staaten so auf den Weltmarkt erzielen. Zum anderen schließen die Globalisierungskritiker aus diesem Umstand, daß es an der Demokratisierung der Institutionen mangelt, mit denen die reichsten Nationen die Bedingungen des Weltmarkts festlegen und verwalten.
Das Argument der Ungerechtigkeit ist ein borniertes bürgerliches Argument, mit dem die Auswirkungen des Kapitalismus beständig begleitet werden. Da existiert eine Wirtschaftsweise, die alle gleichermaßen auf das Schaffen und Erlangen von Geld festlegt und die sich gleichgültig dagegen zeigt, ob man nun die Mittel (Kapital) dafür in seinem Besitz hat, und dann wird sich darüber verwundert gezeigt, daß bei der Konkurrenz ums Geld es zu Gewinnern und Verlierern kommt. Das erscheint den Leuten dann als ungerecht, daß die einen so viel Geld scheffeln, mit dem sich so viele gute Taten finanzieren ließen und die anderen keines sehen und verhungern. Dabei zeigen sich die Globalisierungskritiker gleichgültig dagegen, wie dieser Reichtum, der für gute Taten benutzt werden soll, überhaupt zustande kommt. Sie betrachten eben nicht die Gesetze der kapitalistischen Reichtumsproduktion, sondern nur das Ergebnis der Konkurrenz. Sie fordern also, daß es im Kapitalismus gerecht zugehen soll und verstehen darunter, daß bei all den Gewinnen, die auf Grundlage der Armut der Bevölkerung, die den Reichtum schafft, entstehen, auch was für die Bevölkerung rumkommen soll. Die Möglichkeit dazu sehen die Globalisierungskritiker darin, daß man die Abhängigkeiten der Binnenwirtschaft von der Konkurrenz auf dem Weltmarkt aufhebt und das Miteinander der Staaten gerechter gestaltet.
Demoratie ist, wenn man trotzdem lacht
Und richtig toll finden daher die Globalisierungskritiker die Forderung nach "mehr Demokratie!". Diesem Demokratieidealismus liegt ein besonderer bürgerlicher Fehler zugrunde, nämlich der, daß bessere Repräsentation der unterschiedlichen Opfer des Kapitalismus ihnen einen Eingriffstitel gegen ihr Scheitern im weltweiten Kapitalismus in die Hand geben könnte. Nehmen wir z.B. den IWF. Betrachtet man den ökonomischen Zweck, den diese Institution verfolgt: Wie soll da eine Demokratisierung dieser Institution aussehen?
Die Kreditvergabe des IWF hat nichts damit zu tun, die Verlierer in der weltweiten Konkurrenz mit den Siegern wieder gleichzustellen, sondern damit, jene bloß in die Lage zu versetzen, ihre Verbindlichkeiten gegenüber anderen Staaten auch zu erfüllen. Der Maßstab ist also die Fähigkeit der Staaten, sich kapitalistisch geschäftsfähig zu halten, auch wenn dies große Opfer der Bevölkerung bedeutet. Und wenn das den Entwicklungsländern nicht gegen die Konkurrenz der ökonomisch und militärisch potenteren Staaten gelingt, dann werden sie abgeschrieben. Die Forderung nach der Demokratisierung des IWF und der Weltbank trifft auf die Realität, daß sich in diesen Gremien Gläubigerstaaten und Entwicklungsländer darüber einig werden, wie die Bedienung der Kredite über die Bühne zu gehen habe. Die Gläubigerstaaten sind darauf aus, ihre an die armen Staaten vergebenden Kredite zu sichern, und die Entwicklungsländer müssen um die Stundung oder gar Streichung der Kreditbedienung betteln. Es geht ja darum dasVerhältnis von Gläubiger und Schuldner für den Gläubiger profitabel zu erhalten. Solange der Zweck des IWF bleibt, wird es von den Gläubigerstaaten kein Interesse geben, die formale Struktur der Institution zu ändern.
Sei doch nicht so negativ
Gleichgültig gegen diese Realität versammelt die Globalisierungsbewegung die verschiedensten Gruppen. Dabei scheint es egal zu sein, mit welchen gegensätzlichen Sonderinteressen die einzelnen Gruppen sich unter den allgemeinen Forderungen nach Reglementierung des Weltmarkts vereinen. Da stehen Dritte-Welt-Aktivisten, die indigenen Kulturen ein Auskommen verschaffen wollen, mit nationalen Gewerkschaftern zusammen, die für den Schutz der heimischen Wirtschaft eintreten. Daß sich diese Forderungen diametral widersprechen, kümmert die Globalisierungskritiker wenig. Ohne sich darüber klar zu werden, welche Auswirkung nun das Verfolgen von Steuerflucht, die Beschränkung des weltweiten Kapitaltransfers oder Tobin-Steuer für ihre persönlichen Sonderinteressen haben, findet man sich zusammen, um den Herrschenden mal zu sagen, daß sie eine Verantwortung gegenüber ihren Bevölkerung haben. Diese Verantwortung verstehen die Staaten aber ganz anders.
So sehr die Globalisierungskritiker sich offen zeigen, gegenüber allen, die ihr Ansinnen teilen, so sehr sind sie aber darum bemüht, daß keine Klärung über die Unverträglichkeit der verschiedenen Interessen stattfindet. Jeder ist willkommen, der im Elend einen "Skandal" sieht. Daß es Widersprüche zwischen den Sonderinteressen gibt, die mit der Lage der Leute im Kapitalismus zu tun haben, machen sie sich nicht bewußt oder ignorieren sie schlichtweg. Und nichts ist ihrer Agitation unzuträglicher, als der Verweis darauf, daß das Elend im Kapitalismus etwas mit der Wirtschaftsweise als Ganzes zu tun hat. Leute also, die die Agitation auf eine wesentliche Kritik der kapitalistischen Produktionsweise lenken wollen, werden bei den Globalisierungskritikern insofern ausgegrenzt, als daß man ihnen den Vorwurf macht, sie wollten die wenigen kleinen Schritte der Verbesserung torpedieren.
Daß eine Reglementierung des Kapitalismus nicht das gleiche ist wie das Abschaffen des kapitalistischen Kalküls, wird nicht erkannt. Mit der Reglementierung der Bedingungen der Kapitalakkumulation ist das Interesse des Kapitals, sich zu verwerten, nicht aus der Welt. Das heißt auch, daß das Kapital sich (mit staatlichem Segen) unter neuen Bedingungen neue Verwertungsmöglichkeiten auftun wird - und dies weiterhin auf Kosten der Lohnabhängigen.
Aus Verantwortung zu jedem Zugeständnis bereit
Eine solche Reglementierung des Weltmarkts, wie sich das die Globalisierungskritiker vorstellen, wird nicht stattfinden. Die bürgerlichen Staaten haben sich die Bedingungen des Weltmarkts so eingerichtet, wie es für sie von Nutzen ist. Daran ändern auch friedliche oder militante Demonstrationen auf G7-Gipfeln und ähnlichen Veranstaltungen nichts. Der Abweis dieser Position im Meinungsstreit um die beste Einrichtung der Verhältnisse durch die Politik und seine praktische Ausgestaltung durch Polizeiknüppel treffen auf das Unverständnis der Globalisierungskritiker. Es kann doch nicht sein, daß ein so ehrenwertes Interesse, wie das Abschaffen des "unnötigen" Elends in der Welt, von den Regierenden so mißtrauisch und abwehrend behandelt wird.
Und es wird ja doch mit einem gewissen Wohlwollen in der Öffentlichkeit aufgenommen. Da werden hohe Politiker Mitglied bei attac!, ganze Gewerkschaften treten ein und die Bundesregierung denkt laut über die Einführung der Tobin-Tax nach. Letzteres stellt aber nichts anderes dar als die Vereinnahmung der Forderungen der Globalisierungskritiker durch die Politik, die prüft, ob die verschiedenen Maßnahmen, die die Globalisierungskritiker so fordern, in der Konkurrenz mit anderen Staaten nützlich sein könnten. Das Verständnis, das ihnen von den Führern der kapitalistischen Staaten entgegengebracht wird, sofern ihr Protest friedlich bleibt, führt zu bereitwilligen Zugeständnissen seitens der Globalisierungskritiker, die sich endlich in der öffentlichen Diskussion, wie der Weltmarkt sinnvoll zu bewirtschaften sei, berücksichtigt finden. Kapitalismuskritische Positionen haben in solchen bürgerlichen Debatten keinen Platz. Wer wie die Globalisierungskritiker Verantwortung in der bestehenden Scheiße übernehmen will, der kann keine radikalen Ziele propagieren. Das ist die konstruktive Kritik, an der sich alle beteiligen können, solange sie die dann dabei von den wirklich Mächtigen beschlossenen Entscheidungen mittragen - und somit zurVerlängerung des Elends beitragen.
Und das macht das Problem aus, wenn die Bewegung um die Gunst des Staates buhlen will. Denn dann müssen Zugeständnisse gemacht werden, die darin bestehen, daß die Forderungen irgendwie mit den Zwecken von Staat und Kapital vermittelt sein müssen. Das heißt aber auch, daß man die Grundlage der Wirtschaftsweise und ihrer politischen Betreuung im Kern akzeptiert und versucht, im Rahmen des "politisch Machbaren" zu handeln. Welches Interesse letztlich die Oberhand behält, steht schon von vornherein fest. Mit der Akzeptanz der kapitalistischen Produktion müssen und wollen die Globalisierungskritiker ihr Vorhaben nach Menschheitsbeglückung immer wieder daran messen, ob sich die Maßnahmen auch rechnen. Dieser Umstand beweist, daß die Globalisierungskritiker eine Kritik der Verhältnisse scheuen oder gar nicht sich zum Programm machen. Wie auch? Wenn das politische Ziel darin liegt, den Staat an Aufgaben zu erinnern, die nichts mit seinen tatsächlichen Zwecken zu tun haben.
Ankündigung eines Arbeitskreises auf der Liegeplätze statt Standorte-Konferenz von Junge Linke vom 7. Dezember 2002
15.04.2002
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Auferstehung der Kapitalismuskritik in der globalisierungskritischen Bewegung?
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