Politiker*innen etablierter Parteien sortieren viele Forderungen der AfD (wie die nach der rigorosen Ausgrenzung von Migrant*innen oder der Abschaffung von EU-Regularien) als – »fürs Volk« – verständliche »einfache Lösung« ein. Wer so auf Forderungen der AfD reagiert, macht im ersten Schritt vor allem eins: Man erkennt die von der AfD aufgeworfenen ›Problemlagen‹ durchaus als berechtigt an. Im zweiten Schritt wird damit gesagt, dass sich die Lage aber viel komplizierter darstelle, als die AfD das sehen wolle. Schließlich sei Deutschland in vielen internationalen Verflechtungen, profitiere von diesen und kann den Vorteil nur haben, wenn zugleich lästige Pflichten gegenüber den Partnern ausgehalten werden. Oder es wird zwar zugestanden, dass Ausländer*innen eine Last seien, zugleich brauche Deutschland diese aber als Arbeitskräfte und Investor*innen. Rechte werden so an »der Realität«, deren »Komplexität« sie nicht kapierten, blamiert – das kennt man auch von früher gegenüber »weltfremden« linken Idealisten. Eine Kritik an den ›Problemlagen‹, die die Rechten sehen, ist das nicht.
Die etablierten Parteien kreiden der AfD mit dieser Sorte ›Kritik‹ an, dass sie ihre Forderungen nicht an der Staatsraison – das heißt den geltenden politischen Maßstäben der deutschen ›Realität‹ – relativieren. Das lässt sie in deren Augen und auch in den Augen vieler Medien als blöd und inkompetent dastehen. Das, was die Rechten an Kritik äußern, wird so nur methodisch zurückgewiesen und auf die Unterscheidungsebene von ›dumm‹ und ›intelligent‹ gehoben. Damit wird der nach rechts abgedriftete Wähler sehr eigentümlich angesprochen und umgarnt:
Einerseits – das wird dem Wähler schon mitgeteilt – zeige sich an dessen Offenheit für einfache Lösungen zwar, wie sehr er sich um die Nation sorgt, womit er als potentiell verantwortungsvoller Mensch gelten darf. Andererseits ließe er sich aber auch wieder viel zu leicht von Populist*innen verführen, was dann seine Naivität und Inkompetenz anzeige. In der Agitation um diese Wähler*innen wird jetzt die ›Inkompetenz‹ der AfD von der ›Inkompetenz‹ der Wähler*innen getrennt. Parteien, die anführen sollten, zeichnen sich durch das Verständnis der komplexen Realität aus. Gemessen daran, seien die anderen Parteien vergleichsweise inkompetent.
Vernünftige Wähler*innen misstrauen einfachen Lösungen, gerade wenn sie so ansprechend sind. Sie haben ein begründetes Misstrauen gegen sich selbst und wollen daher eine Führung, die die Komplexität der Realität besser versteht als sie selbst – und so für sie das Beste rausholt. Mit diesem Lob und dieser Kritik, legen Politiker*innen der abdriftenden Wählerschaft die Frage vor, ob sie wirklich so doof sein will, auf die Vereinfacher von rechts reinzufallen oder nicht doch vernünftigerweise die Politik einer kompetenten Führung überlassen will.
Die Rede von den einfachen Lösungen, die im Volk ankommen, aber niemals die Politik bestimmen dürfen, schnürt sich also zusammen auf eine Agitation der etablierten Parteien für die korrekte Rollenverteilung in der Demokratie: Den Profis in der Politik sollte das Volk Vertrauen schenken, dass sie für Deutschlands Erfolg das Beste rausholen.
Dieser Text ist der erste in der Reihe 50 Fragen 50 Antworten - Über den Rechtsruck – und wie man ihn besser nicht kritisiert.
Wöchentlich veröffentlichen wir eine weitere Kurzanalyse über rechtsradikale Standpunkte, schlecht gemachter Kritiken an der AfD und Stichwörtern in der Debatte über den Rechtsruck.